„Was essen wir heute?“ – eine simple Frage, die mein Mann beiläufig am Donnerstagmorgen stellt, bevor er mit seinem Kaffee in der Hand Richtung unseres Dachgeschosses, aktuell als Büro genutzt, verschwindet. Eine simple Frage, die mich innerhalb von Millisekunden vor Wut kochen und vor Hilflosigkeit weinen lässt. Denn, was da alles an dieser Frage „mit hängt“, ist gewaltig. Warum? Wegen des blöden Virus natürlich. Eines Virus, das in erster Linie wohl unsere Lungen im Visier hat, ganz nebenbei aber unsere Emanzipation und die Gleichberechtigung bereits gekillt hat.

Alles, was starke und mutige Frauen vor uns erkämpft haben, wurde mit nur wenigen Sätzen zu Nichte gemacht, auf dem Müll der Geschichte entsorgt, vergessen. Oder, da wir uns ja laut einigen Politiken im Krieg gegen den Virus befinden, muss es wohl heißen – es fiel dem Kriege zum Opfer! Und wie lauteten diese Sätze? Nun, ganz einfach: „Die Kitas und Schulen werden ab Montag stufenweise geschlossen“ und „Die Kitas bleiben bis auf Weiteres zu“. Und zack! Da sind sie wieder – die 50er Jahre.

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Mit einem Einjährigen auf dem Arm und einem Vierjährigen in den Ohren (guck mal, Mama, was ich gebaut habe. Guck mal. Guck mal. Jetzt guck doch mal. Du guckst ja gar nicht richtig) stehe ich nun am Herd und bereite Mahlzeiten für meine Familie vor. Seit nun fast zwei Monaten. Tag für Tag.

Dabei bin ich keine Hausfrau. Nein. Nach einer einjährigen Babypause kehrte ich Mitte Februar, als Verantwortliche für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines kleinen sympathischen Vereins für Soziale Arbeit, zurück ins Büro. Hungrig nach neuen Aufgaben, Ideen, Herausforderungen. „Endlich wieder ich selbst sein – nicht „nur“ Mutter. Endlich wieder am Start. 2020 wird mein Jahr!“ – so dachte ich …

Nun stehe ich am Herd. Meine (bezahlte) Arbeit bleibt komplett liegen. Der Einjährige weint. Der Vierjährige hat es mittlerweile aufgegeben und zeigt nun der Katze, was er Tolles gebaut hat. Sie scheint eine bessere Zuhörerin zu sein, als ich. Wahrscheinlich weil sie nicht im Homeoffice (eigentlich) arbeiten und stattdessen ihre Kätzchen hüten muss.

Vielleicht ist sie aber auch einfach stärker als ich. Kann sich und ihren Familienalltag besser organisieren. Denn so etwas scheint es auch zu geben. Mütter, die scheinbar alles unter Kontrolle haben und es sogar schaffen, diese Zeit zu genießen: „Ach, so schlimm ist es doch nicht. Ach, die paar Wochen mit den Kindern, das schafft man doch locker“… Bewundernswert, diese Stärke! Mein Nervenkostüm ist dagegen nur noch ein Netzhemdchen – irgendwie unbequem und voller Löcher.

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Ob ich denn nicht verstehen würde, warum all diese Einschränkungen nötig seien, wurde ich letztens gefragt. Man wisse ja, warum und wofür. Und natürlich ist es ja auch vorübergehend. Jetzt müsse man sich nun mal zusammenreißen und eben durchhalten. Und das stimmt ja auch. Und selbstverständlich verstehe ich die Notwendigkeit der Maßnahmen. Was ich allerdings nicht so wirklich verstehe, ist, warum es in erster Linie die Frauen sind, deren (berufliches) Leben jetzt dem oben erwähnten Krieg zum Opfer fällt?

Klar, auch Männer müssen sich mit ihrem neuen Alltag auseinandersetzten. Auch sie arbeiten im Homeoffice und betreuen die Kinder – doch meistens nur einen Bruchteil der Zeit. Die meisten von ihnen arbeiten fast wie immer weiter – nur halt von Zuhause aus. Sie sind nun mal wichtig. Mein Mann scheint in dieser Krisen-Zeit sogar noch wichtiger zu sein, als ohnehin schon. Unzählige Anrufe, Videokonferenzen und E-Mails belegen diese Annahme. Für ihn scheinen sich neue Türen und Fenster zu öffnen, während mein Berufsleben eher einem fensterlosen Kerker gleicht.

Eigentlich fühlt es sich eher so an, als wäre dieser Teil meines Lebens einfach kaum noch existent. Denn, was eigentlich sehr schön sein müsste, mir wird bei der Arbeit kein Druck gemacht. Mein Chef hat viel Verständnis für die Situation und lässt mich und andere Kolleginnen und Kollegen mit Kindern weitgehend „in Ruhe“. Doch glücklich bin ich darüber trotzdem nicht. Denn, ich arbeite nicht nur um Geld zu verdienen, sondern weil mein Job mir Spaß macht. Weil ich mich nur dann in meiner Haut wirklich wohlfühle, wenn ich auch etwas außerhalb der familiären Pflichten erleben darf. Doch damit ist es wohl erstmal vorbei.

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Nun sitze ich da – das Kleinkind tippt mit auf der Tastatur, das Wasser auf dem Herd kocht über und der vom Vierjährigen gebaute „Lego-Mega-Hammer“ versperrt mir den Bildschirm. Also kann ich den Laptop eigentlich auch gleich wieder zuklappen und mich um meine Kinder und das Mittagessen kümmern. Was für ein Glück, dass ich so systemirrelevant bin!

„Heute gibt es Bouletten mit Kartoffelpüree, Liebling“, schreie ich Richtung geschlossener Bürotür und tapse dahin, wo ich nach dem neuen „Normal“ wohl hingehöre – zurück in die Küche. Wenn es nach den aktuellen Lockerungsregeln geht, werde ich hier noch eine ganze Weile nicht rauskommen. Aber hey, vielleicht kann ich mit den Kids ja einen Ausflug zum MediaMarkt machen, oder zum Friseur, oder wir gucken einfach gemeinsam die Bundesliga! Gut, dass wir jetzt wieder so viele Möglichkeiten haben.