Hallo Du.
Ist das nicht erst fünf Minuten her? Fünf Minuten, seit ich dich und deinen Vater das erste Mal zur Eingewöhnung in die Kita begleitete, um dann alleine heulend nach Hause zu laufen. Überwältigt davon, dass du bereits deinen ersten Geburtstag hinter dir hattest, fühlte ich mich plötzlich sehr einsam ohne mein Baby, traurig, aufgewühlt und gleichzeitig so unendlich stolz. Stolz auf dich und darauf, was du schon alles gemeistert hast. Und stolz auf uns drei und darauf, was wir gemeinsam geleistet haben in diesem ersten Babyjahr. Eine wahre Achterbahn der Gefühle war es, das sag ich dir!
Und heute drehe ich eine weitere Runde.
Während du lächelnd und stolz wie Bolle deine riesige Tasche samt Kissen hinter dir her ziehst, zieht sich in meinem Inneren alles zusammen. Was passiert hier? Wer ist dieser lange dünne Junge, der mich mit seinem wunderschönen, zahnlosen Lächeln anstrahlt? Wann zum Kuckuck bist du so riesig geworden? Unverschämt finde ich das! Es ist einfach nicht ok, dass du auf einmal ein völlig neues Leben beginnst, ohne mich um Erlaubnis gefragt zu haben? Warum habe ich kein Mitspracherecht bei diesem deinen Erwachsen-werden? Müsste es nicht eine Passage in meinem „Mutter-Vertrag“ dazu geben, die ganz klar regelt, dass die Kinder erst dann groß werden dürfen, wenn die Mutter emotional dafür bereit ist? Also ich finde schon! Aber mich fragt ja wiedermal keiner.
Also bleibt mir nur noch, dich ganz ganz fest zu umarmen und dir zu sagen, dass ich so unglaublich stolz auf dich bin, mein wunderschöner Ohnezahn! Darauf, was du schon alles gemeistert hast und darauf, was du noch alles meistern wirst! Um dann alleine heulend nach Hause zu laufen. Eine wahre Achterbahn der Gefühle ist es, das sag ich dir!
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Vielleicht geht es dir aber auch ähnlich. Schließlich sagen alle um dich herum, dass heute ein besonderer Tag für dich und deine ABC-Zwergen-Freunde ist. Irgendwas mit „offizieller Abschied“ und so. Doch so richtig zu verstehen ist es etwas schwierig, denn eigentlich gehst du doch noch über einen Monat lang weiter in die Kita. Aber wenn die Erwachsenen das sagen, wird’s schon stimmen, oder? Jedenfalls gehst du wohl davon aus, dass es heute ne Menge Süßigkeiten zum Verspeisen geben wird. Schließlich heißt das Ganze ja „Zuckertüten-Fest“. Also deutest du es sicherlich als ein Versprechen. Und dann ist da auch noch die Übernachtung. In der Kita! Mit allen deinen Freunden! Na, das wird ja aufregend.
Ich als Mutter bin meinerseits nur froh, dass ich nicht diejenige sein werde, die euch, aufgekratzte überzuckerte Knallköpfe, ins Bett bringen muss. Doch gesehen hätte ich es gerne. Einfach nur kurz Mäuschen spielen. Einfach nur dabei sein. Ganz still und leise. Um einfach keines deiner aufregenden Abenteuer zu verpassen, mein kleiner Großer. Wie schön wäre das! Aber mich fragt ja keiner.