Ich bin ein ordnungsliebender Mensch. Nein, das beschreibt mich nicht ganz zutreffend. Zutreffender wäre wohl zu sagen, dass ich zwanghaft ordentlich bin. Jede herumliegende Socke, jeder verrutschte Teppich, jedes schief hängende Bild und jeder neu angekommene Brief wird von mir IMMER und so ziemlich unverzüglich aufgehoben, zurecht gerutscht, begradigt und abgeheftet. Es ist zwar keine diagnostizierte Störung, doch ich könnte ohne Weiteres als weiblicher Adrian Monk durchgehen.

Doch das alles galt für die Zeit davor. Bevor zwei kleine bezaubernde laute Wesen in mein Leben traten, die so gar nichts von meiner Ordnungsliebe halten. Die nun immer wieder eine riesengroße Schippe Sand auf mein frisch bezogenes Bett und meinen saubergewischten Badezimmerboden kippen. Die ihre Legosteine zwischen meiner Unterwäsche verstecken und meine frischgewaschenen Sachen auf den mit Katzenhaaren übersäten Fußboden auskippen. Die mit ihren stets klebrigen Händen meine Fenster bis zur völligen Undurchsichtigkeit betatschen und meinen Puderpinsel als Besen für ihr Puppenhaus benutzen.

Während ich nach dem ersten Kind noch ausreichend Kraft und Willen besaß, um, wie es sich für eine vorbildliche Hausfrau gehört, alle paar Tage meinem Haus ein Wohnkatalog ähnliches Aussehen zu verpassen, (ja gar mit einem auf meinen Rücken festgeschnallten Kleinkind) haben sie es zu zweit nun doch geschafft, diesen meinen unbedingten Ordnungswillen in Stücke zu zerkloppen.

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Jetzt steige ich einfach drüber, wenn ich nicht auf ein herumliegendes Spielzeug oder einen Haufen Sand im Badezimmer treten will. Schweigend pule ich die Legosteine aus meinem BH, bevor ich ihn anziehen kann, und lasse sie dann in der Schublade liegen. Ich hebe nur noch die Klamotten vom Boden auf, die ich gerade gedenke anziehen, und versuche ausschließlich durch die oberen Bereiche der Fenster nach draußen zu blicken. Man muss eben wissen, wenn man verloren hat.

Was soll’s. Dieses wunderbare Gefühl in einem perfekt aufgeräumten Zuhause zu sein, werde ich mit drei männlichen Menschen im Haus wohl noch sehr lange nicht mehr erleben, dafür aber eine Menge anderer. So wie meinen Lachflash von letzter Woche, als ich meinen Schuh anziehen wollte und mein Fuß aber von einem, wohl für spätere Hungertage aufgehobenen, Milchbrötchen blockiert wurde. Oder das Entzücken, als ich vor ein paar Tagen dem Einjährigen dabei zugucken durfte, wie er mit einem schmierigen Lappen meine Couch ruinierte, in dem er so tat, als würde er sie putzen. Woher er das wohl hat? Und vielleicht schaffe ich es sogar eines Tages die Spinatflecken an der Wand als eine Art moderne Kunst zu sehen. Wer weiß es schon? Zumindest einer scheint meine Resignation so richtig zu genießen, und zwar mein Mann. Kein Wunder, hat er doch bereits seit 2009 unermüdlich daran gearbeitet.