Hobby – Ein sehr wichtiger Teil der kindlichen Entwicklung. Eine intensive Beschäftigung mit einer Sache, die (meist) freiwillig erfolgt und (meist) mit Spaß verbunden ist. Ganz egal, welches – ein Hobby tut dem Kind gut. So zumindest die Theorie. Wie es in der Praxis aussieht, dürften wohl nur die Kinder selbst wissen. Manche von ihnen grübeln darüber noch Jahre – ja gar Jahrzehnte – später. Und manche (ich) kommen wohl niemals darüber hinweg.

Ach Quatsch, sooooo schlimm ist das nicht. Dann hab ich halt (wie im letzten Artikel erwähnt) fünf Jahre lang ein Instrument zu spielen gelernt, das ich abgrundtief haste. Na und? Schließlich hat es doch auch sein Gutes gehabt. Oder? Jetzt konnte ich meine Kenntnisse doch nutzen und diese zum Beispiel auf Hochzeiten zum Vergnügen der tanzwilligen besoffenen Gäste einsetzen und mir so den einen oder anderen Groschen dazuverdienen. Oder? Natürlich nicht! Denn, wie bereits erwähnt, war ich als Musikerin durch und durch talentfrei. Und DAS würde sogar dem besoffensten aller Hochzeitsgäste spätestens nach der dritten Wiederholung von „Für Elise“ in der ultra-coolen Ziehharmonika-Version auffallen.

Außerdem kam da noch eine klitzekleine unbedeutende Sache dazu. Praktisch sofort nach meinem Musikschulabschluss wanderte meine Familie nämlich aus. Und zwar in ein Land, in dem sogar die Vuvuzela einen größeren Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad hat als das, was ich da über Jahre gelernt hatte.

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Nun – neues Land, neues Glück. „Also in Deutschland würde ich doch garantiert ganz schnell ein richtig tolles Hobby finden!“ , dachte ich. Und in gewisser Weise stimmte es auch. Denn wie Wikipedia es uns verrät, hat Hobby auch etwas mit Selbstbild und Identität zu tun. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Sprache. Nur schlimmer. Sprache IST nämlich Identität. Und ich wollte auf gar keinen Fall, dass meine Identität von meinem sprachlichen Unvermögen bestimmt (bleiben) würde.

Also bestand mein neues aufregendes Hobby darin, so oft wie möglich auszugehen, um in einer entspannten Atmosphäre einer Disco so viele Einheimische wie möglich kennenzulernen, die mir die Sprache beibringen würden. Oder war es einfach nur Ausgehen um Ausgehens-Willen? Möglich. Denn schließlich war ich gerade erst 16 Jahre alt geworden und in diesem Alter gehört das Abhängen an verrauchten, lauten, für Gespräche keinesfalls geeigneten Orten einfach zum Pflichtprogramm. Das wurde mir bereits bei unserem Ankommen von der für uns zuständigen Sozialarbeiterin im Aussiedlerheim erzählt. Und als integrationswillige Ausländerin tue selbstverständlich immer, was man mir sagt.

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Doch auch nachdem die sprachlichen Hürden irgendwann genommen wurden, gingen noch viele hobbyfreie Jahre ins Land, bis etwas ganz Neues auf meinem Horizont der (vermeintlich) sinnvollen Freizeitbeschäftigungen auftauchte. Wobei, wenn ich genauer darüber nachdenke, tauchte es wohl weniger auf, als das es mir vor die Nase geknallt wurde.

Mein damaliger Freund/Lebensgefährte/späterer Verlobter/aktueller Ehemann entdeckte nämlich was „ganz Tolles“ für sich und (so sein Plan) auch für mich. Etwas, was uns beiden bestimmt TOTAL Spaß machen würde. Womit wir beide uns auch mal das ganze Wochenende über beschäftigen könnten. Was uns so richtig auspowert. Und wer jetzt auf unanständige Gedanken kommt, dem sei gesagt: „DAS wäre auf jeden Fall spaßiger gewesen“. Stattdessen aber schleppte mich mein Trotz-allem-noch-Ehemann auf einen Golfplatz!

„Ach, ist das nicht toll?! Das Grün. Die Ruhe. Die Bewegung.“ Und zugegeben – das war es auch. Anfangs. Als ich noch keine Ahnung davon hatte, wie Golf überhaupt „funktioniert“ und wer da so alles mitspielt. Spoiler – es sind überwiegend alte weiße Männer, von denen ein nicht unerheblicher Anteil doch ziemlich dolle sexistisch ist. Auch wenn sie es oft selbst gar nicht wollen. Oder halt nicht merken, dass sie es sind. Aber so oder so – so oft in meinem Leben wurde ich noch nicht einmal von meinen Eltern „Mäuschen“ genannt.

Doch das war gar nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war für mich zu erkennen, dass ich offenbar nicht in der Lage bin, eine Sportart „einfach so zum Spaß“ auszuüben, ohne dabei ein gewisses Maß an Ehrgeiz zu entwickeln. (Auch an dieser Stelle möchte ich nochmal einen gesonderten Dank an meine überkritischen Eltern ausrichten). Es wäre vielleicht an sich ja noch nicht so schlimm. Schlimm wurde es erst, als ich merkte, dass mein Ehrgeiz und mein für diese – nennen wir es ruhig – Sportart notwendige Talent nicht übereinstimmten. Mein Unvermögen, das mir zugeordnete Handicap zu verringern, handicapte mich mit der Zeit zunehmend in meinem Kopf. Während mein (zu diesem Zeitpunkt schon) Gatte sich immer weiter in diese – nennen wir sie ruhig – Sportart verliebte, turnte mich meine, in meinen Augen nicht ausreichend gute, Spielweise immer mehr ab. Und wenn man schon, von sich selbst mega genervt, auf dem Fairway steht und versucht den verflixten Ball irgendwie aufs Grün zu befördern und einem dabei ein älterer Herr ein „Na, Mäuschen, wird es heute noch was?“ über die Schulter ratscht, dann hört’s echt auf! Also bei mir. Also ich. Denn anders als bei dem Ziehharmonika-Dilemma hatte ich dieses Mal alle Entscheidungsfäden selbst in der Hand.

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Also war ich wieder einmal hobbylos. Naja, sagen wir nicht ganz. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits ein Kind. Und wer selbst welche hat, weißt ja – es ist auch so ähnlich wie ein Hobby. Es beschäftigt einen in der Freizeit (naja … vielleicht auch ein kleines Bisschen darüber hinaus). Der Ausübende „übt“ die „Sache“ (meist) freiwillig und in gewisser Weise zum eigenen Vergnügen aus. Und die Identität und das Selbstbild prägt die Elternschaft nun wirklich allemal! Auf einmal ist DAS SELBST nämlich ganz unbeholfen, übermüdet, überfordert, überemotional, voller Liebe und voller Zweifel. Und man tut es mit ALLER Leidenschaft, die man überhaupt je zur Verfügung hatte. Also sag ich doch, wie bei einem Hobby!

Doch trotz dem erfüllendsten und forderndsten Hobby der Welt will man, oder eher, wollte ICH irgendwann mal auch wieder etwas machen, was NUR MIR guttut. Und dann entdeckte ich … nichts. Denn mit Kindern ist es echt nicht einfach, irgendeiner Beschäftigung regelmäßig nachzukommen, wenn es sich nicht gerade um Wäsche waschen, Putzen, Kochen oder Vorlesen handelt.

Doch wenn man die „Regelmäßigkeit“ einmal neu definiert, dann eröffnen sich auf einmal ganz viele neue Möglichkeiten.

Und so kann ich jetzt mit gutem Gewissen behaupten, dass mein Hobby „Pilze sammeln“ ist. (Ich weiß, auch diese von mir freiwillig ausgewählte Beschäftigung ist an Coolness kaum zu übertreffen). Und behaupten kann ich es deswegen, weil ich in den letzten zwei Jahren zweimal Pilze sammeln war! Regelmäßig muss halt nicht unbedingt „oft“ heißen. Und wenn ich es mit einmal im Jahr für die weiteren 20 Jahre durchziehe, dann bin ich voll im Game!

 

Das ist übrigens meine Ausbeute vom letzten Mal. Nach 3,5 Stunden.

Was ich mit diesem überlangen Text eigentlich sagen will, ist – Hobbys sind wichtig, kein Hobby ist blöd, solange derjenige, der es ausübt, zufrieden damit ist und es sich nicht um das Sammeln von Nieren von Prostituierten handelt. Und lasst eure Kinder bloß selbst entscheiden, was sie als Hobby haben wollen! Ach ja und – Golf ist doof.