Vor ein paar Tagen wurden mein Mann und ich als „süß“ bezeichnet. Nicht etwa, weil wir so überaus attraktiv sind. Nein. Es war viel mehr eine Mischung aus Verniedlichung und Verwunderung über uns als Paar. Die Erklärung für diese Aussage folgte gleich hinterher – „Bei euch ist ja alles umgekehrt!“

Gemeint ist damit unsere Rollenverteilung. Oder vielleicht sogar viel eher die Art, wie wir beide „ticken“. Diese scheint von der anderer Paare recht deutlich abzuweichen. So zumindest mein Eindruck. Denn dieses „bei euch ist ja alles immer umgekehrt!“ höre ich in letzter Zeit VON ALLEN SEITEN. Und nun frage ich mich – sind wir wirklich so anders?

Als Erstes sollte ich vielleicht gleich klarstellen, dass wir, also mein mir Angetrauter und ich, biologisch gesehen ganz eindeutig männlich beziehungsweise weiblich sind. Außerdem sind wir heterosexuell und auch sonst recht spießig in allen Lebensbereichen. Unser Lebenskonzept unterscheidet sich, meines Erachtens nach, in keinster Weise von dem anderer Familien. Wobei wir sogar voller vermeintlichen Stolz behaupten können, dass wir noch um einiges spießiger sind als so ziemlich alle Paare, die wir kennen. Denn wir haben tatsächlich ALLES nach „Lehrplan“ gemacht: erst zusammengezogen, dann geheiratet, dann Haus gekauft (selbstverständlich nicht in der Stadt, sondern in einem beschaulichem „Städtchen“ am Stadtrand. Damit unsere Kinder es einmal besser haben als wir). Und erst nachdem alle „Formalitäten“ geklärt waren, haben wir in einer von ausführlichen Diskussionen geprägten mehrstündigen Vorstandssitzung unseres kleinen Familienunternehmens beschlossen, uns um die Nachwuchsproblematik zu kümmern.  Was wir dann auch getan haben.

Seitdem der Nachwuchs uns in unserem Häuschen nun Gesellschaft leistet, wurde es selbstverständlich noch um einiges konservativer bei der Familie Sturn-Baumann. Jetzt geht Papa Vollzeit arbeiten, während Mama jeweils ein Jahr in Babypause war und nun in Teilzeit so tut, als wäre auch sie für die Gesellschaft von Bedeutung. So weit so „normal“ also. Und doch sind da diese Stimmen. Nicht Böse. Nicht kritisierend. Aber stets irgendwie verwundert: „Ach, ihr schon wieder!“ 

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Wer jetzt denkt: „Komm zum Punkt!“, dem sei gesagt – das kann ich nicht. Denn ich bin schließlich eine Frau! Und man weiß ja, dass Frauen prinzipiell viel um den heißen Brei rumreden, anstatt die Sachen direkt anzusprechen. Ganz anders als Männer. Und genau da fängt es nämlich an. Wenn ich also irgendwem erzähle, dass bei einem Streit mein Mann IMMER über ALLES reden will, während ich eher die Taktik des Sich-in-Ruhe-lassens verfolge, kommt bereits ein erstes Lächeln. Wenn ich dann sage, dass ich kein Problem damit habe, nach einem Streit einzuschlafen, während er sich noch stundenlang hin und her wälzt, wird geschmunzelt. Berichte ich darüber, dass bei uns Zuhause ich die Finanzen regele, während mein Mann der Zahnputzexperte der Kinder ist, sehe ich die ersten Fragezeichen in den Gesichtern. Und so geht es immer weiter.

Ob es nun darum geht, dass ich bisher nicht einmal mit meinen Kinder in einer Notaufnahme war, während er es schon eine Handvoll Male hinter sich hat. Oder darum, dass bei uns immer ich diejenige bin, die die Kinder vor dem Schlafengehen antobt und er derjenige, der darüber schimpft, weil er sie dann so schlecht zum Schlafen bringen kann. Oder darum, dass fast alles, was wir an Werkzeug besitzen, ich in die Beziehung mitgebracht habe, während er eine beachtliche Auswahl an Kochbüchern beisteuerte. Die Liste könnte ich noch eine ganze Weile fortsetzen.

Und wenn ich die Leute dann so richtig irritieren will, dann erzähle ich, dass ich erst gar nicht heiraten wollte. Und als es dann doch soweit war, nichts (aber wirklich gar nichts) für unsere Hochzeit geplant habe! Naja… ich kaufte mir ein Kleid. Denn, trotz aller „Fremdeinschätzungen“ meiner Weiblichkeit, bin ich ein Mädchen! Und als solches wollte ich selbstverständlich an meinem Hochzeitstag (wenn dieser nun doch stattfinden sollte) wie eine wunderschöne Prinzessin aussehen! Um den Rest kümmerte sich der Bräutigam. Und er tat es großartig!

Und genau deswegen finde ich diese „Typisch-männlich-typisch-weiblich-Aufgabenteilung“ so unendlich schwierig. Wer entscheidet denn Bitteschön darüber, was männlich und was weiblich ist?! Bin ich weniger eine Frau, wenn ich lieber in einen Baumarkt als in einen Schmuckladen zum Shoppen gehe? Ist er weniger ein Mann, weil er gerne Kocht und sich um seine Kinder kümmert als an seinem Auto rum zu schrauben?

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Ich finde ja, dass man die Aufgaben, vor allem in einer Beziehung, nach Kompetenzen vergeben soll! Wer kann was gut? – Das ist hier die Frage. Warum soll ich mich, verdammt nochmal, um irgendeine Blumen-Deko kümmern müssen, obwohl es für mich nicht die geringste Rolle spielt, ob es bei meiner Hochzeit überhaupt irgendwelche Deko gibt? Und warum soll er nicht der Haupttröster unserer Kinder sein dürfen, wenn er doch so viel Mitgefühl und Empathie besitzt? Warum wird es als „merkwürdig“ eingestuft, dass ich ihn an die Inspektion unseres Autos erinnern muss, während er mir unseren anstehenden Hochzeitstag wieder ins Gedächtnis ruft? Schließlich geht es doch darum, dass beides die nötige Aufmerksamkeit bekommt, oder nicht?

Als mein großes Kind mich aber letztens fragte, wer bei uns besser bügeln könne – Mama oder Papa? Da musste, zugegebener Maßen, auch ich schmunzeln. Das Kind und ich sind dann aber zusammen zu dem Schluss gekommen, dass es wohl Oma ist, die es am besten draufhat!

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P.S. Auf dem Bild oben bin ich übrigens dabei, unsere Terrasse zu erweitern, während mein Mann sich um unseren Sohn kümmert und mich nebenbei fotografiert. Eine in unseren Augen vollkommen gerechte Aufgabenteilung. Und doch sorgte auch diese Aktion weniger für Be- als vielmehr für Ver-wunderung. Was mir für unsere Terrasse außerordentlich leidtat – sah sie doch nach der Erweiterung so wunderschön aus!