Hallo in die Runde. Endlich komme ich dazu, meinen ersten Beitrag in diesem Jahr zu schreiben. Ach ja, frohes Neues allerseits!
Endlich ist es da! Das wunderbare neue 2021. Dieses alles-wieder-gut-machende Wunderjahr! Jetzt wird alles endlich besser. Ich glaube, selten haben so große Teile der Weltbevölkerung so sehnsüchtig einem Jahreswechsel entgegengeblickt. Und jetzt ist es endlich endlich da.
Tja nu… Also, wenn ich das 2021 wäre, wäre ich ja jetzt schon vollkommen überfordert und vom auf mir lastenden Druck restlos erschlagen. Oder nicht? Natürlich weiß ich nicht, ob ein Jahr so etwas wie ein Bewusstsein hat, aber vielleicht…. ich meine, nur eventuell… also, wenn man darüber etwas nachdenkt… wenn man diese Möglichkeit kurz einräumt… Nun ja, in diesem Fall sind wir alle am Arsch!
Denn wir selbst sind schuld an allem! Zum Beispiel an all den unerträglichen Nachrichten, die uns seit dem Jahreswechsel aus allen unseren Endgeräten entgegen rieseln: „Infektionszahlen gehen nicht runter“, „Mutierte Corona-Variante in Deutschland angekommen“, „Zu wenig Impfstoff bestellt, „Megalockdown kommt“, „Sturm auf Kapitol“, „Merz wird …“ na gut, wenigsten ein Unheil konnte abgewendet werden, aber dennoch. Ich schätze mal, mit unseren viel zu hohen Erwartungen haben wir das junge 2021 einfach schon vor seiner „Geburt“ kolossal überfordert. Wie überambitionierte Helikopter-Eltern haben wir dem armen Burschen so viel aufgeladen, dass er aus Trotz beschlossen hat, uns von Anfang an so zu behandeln, wie ein bockiger Teenager es tun würde. Also uns gleich eine volle Ladung Verachtung, unterstrichen von einem ausgestreckten Mittelfinger in die Schnauze zu ballern. So nach dem Motto: „Du denkst, ich werde alles für dich richten? All deine Sorgen und Problemchen wieder ins Lot bringen? Alle deine Wehwehchen bepusten? Dein Leben wieder lebenswert machen? Das hättest du wohl gerne, du Honk! In your face!“
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Irgendwie kann ich das sogar ein kleines Bisschen nachvollziehen. Also, dass auch ein Jahr das Recht hat, gleich von Anfang an überfordert und angepisst zu sein. Vielleicht bin das aber auch gar nicht ich, die das nachvollziehen kann, sondern mein Quarantäne-Ich, dass allmählich etwas verrückt wird. Hmm, ich sollte dazu gleich mal meinen Toaster befragen. Nein, keine Sorge, es ist nur Spaß. In Wahrheit haben wir schon heute Nachmittag darüber geredet und beschossen, dass ich vollkommen normal bin. Die Mikrowelle hat uns übrigens zugestimmt.
Spaß beiseite. Eine Quarantäne ist echt hart. Vor allem, wenn zwei Kita-Kinder und ein Job dazukommen. 14 Tage lang nicht einmal spazieren gehen zu können, bringt einen auf ein ganz neues Überforderungs-Level. Und ja, man wird auch ein kleines bisschen verrückt. Na gut, vielleicht nicht direkt verrückt. Doch man fängt an, immer mehr merkwürdige und auch zwanghafte Verhaltensweisen zu entwickeln.
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Während das große Kind sich also die Nägel bis zum Nagelbett abknabbert und in den „Knabberpausen“ jedes Mal ruft, „kann jetzt endlich jemand mit mir spielen!“, um von einem „Jetzt nicht. Willst du nicht lieber eine Folge ‚Mickey Mouse Wunderhaus‘ gucken?“ abgeschmettert zu werden, verlangt das kleine Kind nach einer permanenten Musikbeschallung. Das wäre ja noch akzeptabel, wenn es sich dabei nicht nur um ein einziges Kinderlied handeln würde, welches, seinem Wunsch entsprechend, in Dauerschleife abgespielt werden soll. Stundenlang! Wenn‘s doch nur ein schönes Lied wäre … Aber egal. Soll er haben. Die Alternative dazu wäre nämlich ein Video-Telefonat mit Babulja (russisch für Omi), nach dem er IMMER verlangt und bei dem er seiner Großmutter die ganze Zeit im niedlichsten „Klein-Kind-Deutsch“ versichert, er wolle ihr „was coole sseige“, das Handy dann aber irgendwo liegen lässt und etwas vollkommen anderes macht, während die Omi versucht, blind und laut zu erraten, was das Kleinkind wohl gerade zu machen vermag. Versteht mich nicht falsch, dieses „Schauspiel“ kann durchaus unterhaltsam sein, aber es ist auch ziemlich anstrengend. Alleine der Lautstärke wegen!
Und auch an uns Erwachsenen geht diese Eingesperrt-sein-Sache nicht spurlos vorbei. Während ich mir also mindestens jeden zweiten Abend ein (sehr) großes Glas Wein und so ziemlich alles zum Essen gönne, was ich finden kann, macht mein Mann Sport. Ja, genau! Von uns allen ist er der Einzige, der seine überschüssige Energie in etwas Sinnvolles investiert. Bewundernswert. Naja… Ob an sieben Tagen die Woche Sport zu machen, wirklich eine soooo gute Sache ist, lass ich jetzt einfach mal hier unkommentiert stehen.
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Doch alleine während ich das hier schreibe, komme ich nicht umhin, daran zu denken, wie unglaublich privilegiert wir sind. Das vergangene Jahr hat uns so vieles gezeigt: Wie wichtig Gesundheit ist. Wie schnell sich eine Seuche ausbreiten kann. Wie irrelevant die meisten unserer Berufe sind. Wie schlecht Deutschland in Sachen Digitalisierung ist. Wie dumm Menschen sein können (Stichwort Querdenker). Wie tapfer Menschen sein können (Stichwort Ärzte, Pfleger, Verkäufer, Erzieher, Lehrer, Lieferfahrer und Co.). Wie wenig Konsum wir wirklich brauchen, um Leben zu können. Wie schmerzlich man menschliche Nähe vermissen kann. Wie unfassbar stark unsere Kinder sind. Und es hat mir eben gezeigt, wie privilegiert wir sind.
Als Aussiedler-Kind hätte ich nie gedacht, dass ich mich mal zu den Privilegierten zählen werde. Aber da sitze ich: In einem sichren Land, mit einem sicheren Job, in einem kleinen Häuschen, mit einem kleinen Garten und es stellt sich heraus, dass ich in diesem Moment zu den glücklichsten Menschen zähle, die es auf diesem Planeten überhaupt gibt. Wie kann ich denn überhaupt einen Grund haben, mich über irgendetwas zu beschweren?!
Also mache ich dem Fast-Zweijährigen „sein“ Lied in Dauerschleife an, lackiere dem Großen die Nägel mit einem „Anti-Knabber-Lack“ aus der Apotheke, bringe dem Mann eine Flasche Wasser in seinen Sport-Keller und gieße mir ein Gläschen Wein ein, auf dass es mehr Menschen so gehen möge wie mir. Denn in dieser unwirklichen Zeit bin ich wohl noch auf der Sonnenseite des Lebens.
Hallo, das ist die schönste, ernsteste, lustigste und dankbarste Begrüßung des neuen Jahres, die ich je auf einem Blog gelesen habe. Besonders die Schlussfolgerungen finde ich so toll – du jammerst nicht, du klagst nicht, du bist ein wenig ironisch oder satirisch – aber du bist glücklich und fühlst dich privilegiert. Tausende Menschen, die nicht halb so belastet sind wie du zur Zeit, jammern und klagen eben typisch deutsch auf hohem Niveau.
Einen lieben Gruß schickt Clara
Hallo Clara,
vielen lieben Dank für diese tolle Rückmeldung! Ich denke, gerade jetzt ist es so wichtig, die positive Einstellung nicht zu verlieren und auf die Menschen zu gucken, die es wirklich schwer haben.
Pass auf dich auf und bleib gesund.
Liebe Grüße