Ach, was war ich aufgeregt, als der Entbindungstermin immer näher und näher rückte! Wie viele Fragen flatterten ununterbrochen durch meinen (aus heutiger Sicht) noch jungen und sehr unerfahrenen Kopf: Wie wird es wohl sein, wenn das Baby da ist? Ist es wirklich so anstrengend wie andere sagen? Schlafen Babys echt nur ein paar Stunden am Stück? Etwa auch in der Nacht? Und muss man das Baby tatsächlich alle 2-3 Stunden stillen? Das ist doch verrückt! Und warum sollte ich nicht weiterhin Bücher lesen, Filme gucken und überhaupt auf dem Laufenden bleiben können, nur, weil ich ein Baby habe?

Als dann das Baby kam, brachte es all die Antworten praktischerweise gleich mit. Einige der von mir besonders gefürchteten Annahmen, stellten sich damals tatsächlich als falsch heraus. Denn mein erstes Kind war ein superguter Schläfer! Na ja, sagen wir mal … ein akzeptabler Schläfer. Und, sagen wir mal … nur in den ersten drei Monaten. Denn dann kamen die Zähne und Schwupsdiewups war das mit dem Schlafen erst einmal erledigt. Aber dennoch. So richtig beklagen konnte ich mich darüber nicht. Und auch sonst war das Kind ein sogenanntes Einsteigermodell. Es schlief einigermaßen gut, trank schnell, war nur selten mies drauf, und ab der vierten Woche grinste es mich sogar an, was wohl heißen sollte, dass es mich ebenfalls toll, oder zumindest akzeptabel fand.

Doch obwohl ich ein, dem Vernehmen nach, sehr pflegeleichtes Baby abbekommen habe, breitete sich bereits nach einigen Monaten ein seltsames Gefühl in mir aus. Eines, das ich bis dahin nicht kannte. Eines, das ich nur schwer erklären, ja kaum in Worte fassen konnte. Eines, das mich während der gesamten Elternzeit begleiten würde. Es war das Gefühl gleichzeitig über- und unterfordert zu sein. Eine merkwürdige Mischung aus Überlastung und Langeweile. Aus bebendem Stress und einem seltsamen Taubheitsgefühl. Aus vollem Herzen und leerem Kopf. Als wäre ich gleichzeitig auf Amphetamin und Beruhigungsmitteln.

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Das besonders Schwierige daran war aber, dieses Gefühl nicht nur zu erkennen, sondern es sich selbst und manchmal auch den anderen zu erklären. Denn natürlich könnte man sofort kontern – wenn dir langweilig ist, dann unternimm was dagegen! Lies ein Buch. Du wolltest doch lesen, wenn du in Elternzeit bist!

Doch auch, wenn man sich vor Langeweile kaum retten kann, während man neben dem, noch recht „gemüseähnlichen“, dreimonatigen Baby sitzt und ihm dabei zuguckt, wie es seine Hände anstarrt – dabei lesen kann man trotzdem nicht. Warum? Nun ja … Weil, sobald du dich auch nur in Richtung des Bücherregals reckst, hört das Baby garantiert unmittelbar mit dem auf, was auch immer es bis dahin gemacht hat, und fängt sofort an, zu flennen. Und seien wir mal ehrlich, selbst wenn du es schaffen würdest, Zeit für ein Buch oder einen guten Film zu finden, was würde das schon bringen? Die in dem Baby-Gesamtpaket mitgelieferte Stilldemenz hat dein Gehirn nämlich schon längst in eine zuckerwatteähnliche Substanz verwandelt. Deine Konzentrationsfähigkeit gleicht also in etwa der einer Eintagsfliege.

Solltest du es also im Laufe des Tages tatsächlich schaffen, deine Schlüssel nicht im Kühlschrank abzulegen und deine Einkäufe nicht in die Spülmaschine einzuräumen, hast du allein deswegen schon jedes Recht, diese kleinen Errungenschaften als einen großen persönlichen Sieg zu verbuchen!

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Da die Bücher nun im Regal und die Glotze aus bleiben, kriegst du von der Außenwelt garantiert nichts mehr mit. Also fängst du an, nur noch davon zu reden, was du selbst erlebst. Also über das Baby. Doch wer es schon einmal versucht hat, kann sicherlich bestätigen, dass es manchmal recht schwierig sein kann, mit den eigenen Freunden ständig über das Baby zu reden. Es ist nämlich so, dass die Freunde, die selbst noch keine Kinder haben, sich nur so mäßig für die Gören im Allgemeinen und deinen Balg im Besonderen interessieren, was sich beispielsweise schnell an ihrem etwas zu steifen Lächeln bemerkbar macht. Und die Freunde, die bereits selbst Kinder haben, sind noch schlimmer. Denn diese haben das alles schon selbst erlebt und brennen nun darauf, IHRE Erfahrungen mit jedermann oder -frau zu teilen. Solche Gespräche bescheren dir in der Regel eine Fülle an absolut überflüssigen aber gutgemeinten Ratschlägen und kein Stück Input für deinen eigenen, immer leerer werdenden Kopf.

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Doch was soll’s. Zum Glück hast du ja noch deinen Partner. Er will garantiert alles über das Baby wissen! Und vielleicht erfährst du von ihm sogar noch, ganz nebenbei, was sich in der Welt fernab der Wickelkommode so tut. Doch auch hier hast du dich, wie in letzter Zeit so oft in Bezug auf die Urin-Aufnahme-Fähigkeit der Nacht-Windel, mal wieder geirrt. Der Herr will zwar alles über das Baby wissen (was ja schon ein doller Fortschritt ist), habe aber bereits bei der Arbeit „sooo viel reden müssen“, dass er sich einfach auf die Couch knallen und irgendwas in der Glotze sehen will. Hmmm… klar, ist verständlich.

Also glotzt du mit. Natürlich nur solange, bis das Baby das nächste Mal heult und zum vierten Mal innerhalb von drei Stunden an die Brust will (Alle 2-3 Stunden stillen? Das wäre ja ein Träumchen!). Also verlässt du die Couch – mit leerem Kopf, vollem Herzen und tropfendem Busen und begibst dich zurück in dein eigenes Land. Das Wunderland der überfordernden Unterforderung.

Doch keine Sorge, heute kann ich dir verraten, dass es schon bald besser wird. So wie dein Kind Tag für Tag etwas klüger wird, wirst auch du dir deinen Verstand Stück für Stück zurückerobern. Und spätestens, wenn das Baby anfängt zu plappern, hast du einen verlässlichen Gesprächspartner. Dieser interessiert sich zwar nur so mittel für deine Probleme oder deine Meinung zum Weltgeschehen, dafür ist er aber recht amüsant und bringt dich regelmäßig zum Lachen.

Und was dieses seltsame Gefühl, gleichzeitig unter- und überfordert zu sein, angeht, so sei dir versichert, dass es dich in deinem Leben nicht mehr so schnell wieder heimsuchen wird. Auch dann nicht, wenn du ein neues Baby bekommst. Denn spätestens mit dem zweiten Kind bist du dann einfach nur noch überfordert.