Als ich mich damals entschied, Publizistik zu studieren, hatte ich ein Bild im Kopf. Ein Bild von mir. Ich als superhübsche, modisch gekleidete, knallharte Journalistin. Wahlweise mit einer Kamera in der Hand bei irgendeinem spannenden Event oder mit einem Laptop vor mir, sitzend in einem angesagten Café. Ich weiß, es war naiv von mir, meine Berufswahl von einem Bild abhängig zu machen. Ich tat es trotzdem. Weder Geld noch Erfolgsaussichten, noch die Tatsache, dass ich damals kaum Deutsch konnte, spielten bei dieser Entscheidung eine Rolle, nur ein Bild: Schreiben und dabei gut aussehen. Ja, so einfach war mein jüngeres Ich gestrickt. Man man man … Ich muss gerade selber über mich lachen.

Als ich heute Morgen zum drölfzigsten Mal in Folge meine bequemste Leggins anzog und mir einen weiß nicht mehr ganz genau wann zum letzten Mal gewaschenen Pullover überstreifte, wurde mir eins bewusst – so hatte sich mein jüngeres Ich ihre Journalisten-Zukunft ganz sicher nicht vorgestellt.

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Ok, zumindest kann ich mit Stolz behaupten, dass das Schreiben durchaus nach wie vor eine Rolle spielt. Na gut, vielleicht nicht das knallharte journalistische, sondern vielmehr das kuschelweiche PR-technische Schreiben, aber es zählt trotzdem. Doch über den „glamourösen“ Rest meiner beruflichen Gegenwart sollte ich ihr gegenüber wohl lieber die Klappe halten.

Na gut, ich könnte ja sagen, dass das verflixte 2020 an allem schuld sei. Es ist nun mal Pandemie-Time. Stay-Homeing ist angesagt. Die Jogginghose ist die neue Volksuniform. DAS angesagte Kleidungsstück des Jahres. Und zwar altersgruppen- und geschlechterübergreifend. Wir sollen nun mal nicht vor die Tür, haben sie gesagt. Wer drinnen bleibt, ist ein gottverdammter Held! So. Es sich gemütlich zu machen ist der neue Patriotismus. Und ich kann sehr patriotisch sein. Vor allem, wenn ich dabei nichts weiter tun muss, als auf meinem Hintern zu sitzen. Also alles für den Dackel, alles für den Club! Oder in diesem Fall: Alles für die Reduktion der Fallzahlen, des R-Werts und der 7-Tage-Inzidenz! Das sind doch nun wirklich gute Argumente, um im Pyjama am Schreibtisch zu sitzen, oder etwa nicht?

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Das alles könnte ich meinem jüngeren, noch nie Pandemien erlebenden Ich also sagen. Doch dann würde ich lügen. Die Wahrheit ist nämlich, dass ich bereits im Gammellook „homeofficete“, als der Rest der arbeitenden Bevölkerung davon nicht einmal träumen konnte. Seit vier Jahren beginne ich meinen Arbeitstag irgendwann zwischen Zähneputzen und Waschmaschine anmachen. Seit vier Jahren ist unsere Küche meine Kantine und unsere Wohnzimmercouch mein Pausenraum. Würde ich nicht jeden Tag meine Kinder von der Kita abholen müssen, wäre ich vermutlich bereits mit meiner Schlabberhose verwachsen.

Ok. Ich muss natürlich erwähnen, dass ich durchaus ein Büro habe. Ein sehr nettes sogar. Eins mit Kolleg*innen drin. Und auch die sind vollkommen in Ordnung und manchmal sogar liebenswert. Und dennoch ziehe ich ihnen meine Jogginghose auch ohne Pandemie sehr oft vor. Die Tatsache ist, dass ich es zwar hasse, nicht dem Bild in meinem Kopf zu entsprechen, es aber auch gleichzeitig liebe, weder früh aufstehen, noch hetzen, noch lange nach einem verdammten Parkplatz suchen zu müssen. Es ist nun mal so unfassbar bequem von Zuhause aus zu arbeiten! Keine stundenlangen Vorbereitungen, keine Staus, kein Mittagsbroteschmieren. Stattdessen kann ich, zumindest theoretisch, viertel vor Arbeitsbeginn aus dem Bette fallen und bin trotzdem pünktlich. Ist schon schön.

Nur für das Selbstbild ist dieses permanente Homeofficing wenig vorteilhaft. Irgendwie fühlt man sich nur so mittel wie eine knallharte PR-Frau, wenn man dabei den Pullover des Mannes und kuschelige Stricksöckchen anhat. Zum Glück hat die Pandemie dafür gesorgt, dass jetzt alle ihre Besprechungen mit Zuhilfenahme der visuellen Übertragungen veranstalten. Die Zoom-Meetings sind also die neuen Freitagnachmittag-Events, Jours fixes und Kaffeeküche-Klatschs zusammen. Und dafür lohnt es sich (meistens) schon noch, den Pyjama gegen eine „normale“ Hose zu tauschen. Oder?