Was war der glücklichste Moment deines bisherigen Lebens? Die Antworten auf diese Frage, sind so vielfältig wie die Menschheit selbst. Sollte man annehmen. Dennoch gibt es, zumindest in den mir vertrauten Kulturen, stets eine bestimmte Erwartung, wie diese Frage zu beantworten wäre. Während es in der Jugend und dem frühen Erwachsenenleben noch drölfzigtausend Antworten darauf geben „darf“, schwindet die Auswahl mit den Jahren dramatisch. Spätestens nach der Heirat gibt es praktisch nur noch eine richtige. Vor allem dann, wenn sie von dem Partner beziehungsweise der Partnerin gestellt wird. Auf ein „Was war eigentlich der glücklichste Moment in deinem bisherigen Leben, Schatz?“ MUSS dann unmittelbar ein „Selbstverständlich der Tag, als ich dich geheiratet habe, Liebling!“ folgen. Auch beim Spontan-Wecken um drei Uhr nachts.

Erst mit der Geburt des ersten Kindes darf sich die Antwort ändern, und zwar in ein „Als unser Baby geboren wurde natürlich“. Natürlich. Denn welch ein Unmensch würde es wagen, auszusprechen, dass sein glücklichster Moment womöglich der Sieg seiner Bowlingmannschaft, das Bestehen der Motorrad-Führerschein-Prüfung oder der Kauf einer so richtig großen Glotze war? In dieser einen Sache scheint die Gesellschaft auch tatsächlich, mal ausnahmsweise, keine großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu machen. Alle haben sich gefälligst dann am glücklichsten zu fühlen, wenn ihre Gören das Licht der Welt erblicken!

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Doch ist das wirklich die Gesellschaft, die diese Erwartung an uns stellt, oder sind wir es selbst? Ich vermute eher das Zweite. Denn, natürlich wollen wir unbedingt, dass dieser eine Moment – die Heirat oder, und noch viel mehr, die Geburt des eigenen Kindes – DER Glücksmoment schlechthin ist! Doch was passiert, wenn uns die Realität in die Quere kommt? Wenn der monatelang geplante Hochzeitstag mit einem Streit beginnt, die angereiste Verwandtschaft schon vor der Feier tierisch nervt und man erst am Morgen des großen Tages feststellt, dass man in dem viel zu teuren Brautkleid irgendwie fett aussieht?

Und was passiert, wenn die Geburt deines Kindes so katastrophal abläuft, dass es in dir noch Jahre später keinen Funken Glück wecken kann? Wenn du beim Anblick der Bilder von damals eher daran denken musst, was alles schiefgelaufen ist, als daran, was du an diesem Tag bekommen hast. Nun ja, dann sollte man es sich einfach eingestehen. Und nach einem anderen Moment Ausschau halten. Vielleicht nach einem, der sich ganz heimlich herangeschlichen und den ersten Platz auf dem Siegertreppchen der Glücksmomente bereits eingenommen hat, ohne dass es dir selbst aufgefallen ist.

Bei mir ist das der Moment auf diesem Bild. Und, wie könnte es anders sein, hat er natürlich etwas mit der Geburt meines ersten Kindes zu tun. Es ist der Tag, an dem ich nach ungeplantem, chaotischem Notkaiserschnitt unter Vollnarkose und dem damit verbundenen, ungeplanten fünftägigen Aufenthalt im Krankenhaus, endlich nach Hause darf. Und das mir bis dahin kaum bekannte Baby darf ich auch mitnehmen. Obgleich mein aufgeschnittener Bauch und meine an das Stillen noch nicht gewöhnte Brust wehtun, obgleich ich so gar keinen Plan habe, wie es nun weitergehen wird und was da alles auf mich zukommt, obgleich ich in der Schlabberhose und den Herzchen-Hauspantoffeln reichlich albern aussehe, bin ich in diesem Augenblick so glücklich, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Warum? Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil die Sonne so wundervoll warm und hell scheint. Vielleicht, weil ich endlich den Krankenhausfraß hinter mir lassen kann. Vielleicht weil die Pantoffeln so herrlich bequem sind. Oder vielleicht, weil ich in diesem Moment auf der Schwelle in mein neues Leben stehe und ahne, dass es nie wieder wie zuvor, doch so unfassbar großartig sein wird!