Wer meinen Blog regelmäßig liest, weiß, dass ich überwiegend sarkastisch schreibe. Die sogenannte niederste Form des Humors ist mein Zuhause. Das ist der Schreib- nein der Lebensstil, mit dem ich mich am wohlsten fühle. Denn sich über Sachen in irgendeiner Form lustig zu machen, hilft mir eben nicht nur beim Schreiben, sondern tatsächlich fast in jeder Lebenssituation. Es hilft mir, mit den an mich gestellten Anforderungen, Stresssituationen und dem ganzen grauen Nebel drum herum, den man im Allgemeinen als den unrasierten Mistkerl Namens „Alltag“ kennt, besser klarzukommen. Doch manchmal gibt es Themen oder, von mir aus, Gefühle, über die ich einfach nicht lachen kann und auch nicht will. Sei es, weil sie zu bedeutend oder, wie in diesem Fall, zu schön und rührend sind. Und ihre Schönheit durch keinen Witz der Welt verlieren sollen. Heute – Brüderliebe.

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Als ich mit Kind Nummer 1. schwanger war, stand für mich 100-prozentig fest, dass es nicht mein einziges Kind bleiben wird. Schließlich wisse man ja, dass Einzelkinder egoistisch, narzisstisch und überhaupt irgendwie komisch sind … Ein Geschwisterchen müsse schon sein. Alleine schon, weil die Kinder so auch immer einen Spielpartner, ja einen Freund an ihrer Seite haben – so schallte es durch meinen jungen Kopf, eigentlich schon lange bevor ich überhaupt auch nur ein Kind hatte.

Auch die dramatische Geburt des ersten Kindes änderte nichts an meiner Einstellung. Eine meiner ersten Fragen an die Ärzte nach dem Notkaiserschnitt lautete „Werde ich in der zweiten Schwangerschaft natürlich entbinden können?“

Doch nach dem ersten Jahr im schlaflosen Überlebensmodus schlich sich das erste Mal der Gedanke ein, dass ein Kind vielleicht ja auch schon ausreichend sein könnte. Also zumindest vom Müdigkeitsfaktor her. Und soooo schlimm sind Einzelkinder ja nun wirklich nicht.

Je älter und damit pflegeleichter mein Kind wurde, desto schwerer fiel mir die Vorstellung, mit dem zweiten Kind nochmal ganz von vorne anzufangen. Alles wieder auf Null. Null Schlaf, null Kraft, null Freiräume, null Flexibilität, null Paarzeit, null Wohlfühlgewicht, null berufliche Entwicklung, null, null, null … Doch trotz allem hielt sich der Gedanke an einen „Freund“ für das erste Kind hartnäckiger fest.

Also doch alles nochmal auf null.

Als das Baby Nummer 2. dann in meinem Bauch nichts ahnend heranwuchs, stieg in mir mit jedem Tag die Panik ein kleines Stückchen höher: „Was ist, wenn Kind Nummer 1. das Baby nicht leiden kann? Wenn sie eben keine Freunde werden, sondern die ganze Zeit nur am Zanken sind? Oder Schlimmeres?“ Zugegeben, meine eigenen Erfahrungen als „kleine Schwester“ haben wohl mehr Narben hinterlassen, als mir bis dahin bewusst war. Und so gab es die ganze zweite Schwangerschaft über vor allem diese eine große Sorge in meinem Kopf: „Was ist, wenn sich die Kinder nicht mögen?“

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Als das Baby endlich da war, machte mein großes Kind die Sorgen in meinem Kopf schnell kleiner. Den Blick, mit dem er seinen kleinen Bruder im Krankenhaus ansah, werde ich niemals vergessen. Dass ein dreijähriger so voller Bewunderung, Zärtlichkeit und ja Liebe überhaupt gucken kann, erschien mir bis dahin als schier unmöglich. Doch da saß er nun – der große Bruder und hielt seinen kleinen neuen Blutsverwandten in den Armen, so, als hätte er noch nie im Leben etwas anderes gemacht.

Als das Baby dann in unser Zuhause einzog, zog dieser verantwortungsvolle, aufmerksame, großzügige, beschützende, helfende, witzige, liebevolle große Junge mit ein. Und seitdem wohnen die zwei hier. Ich weiß nicht warum, aber ich hätte nie gedacht, dass ein Kind überhaupt in der Lage sein kann, so wundervoll mit seinem kleineren „Nachfolger“ umzugehen. Doch zu sehen, wie mein Erstgeborener mit seinem Bruder umgeht, hat mich nicht nur eines besseren belehrt, sondern mir eine Welt gezeigt, die einfach unbeschreiblich schön ist.

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Natürlich ist K1 manchmal von dem kleinen Godzilla-Baby, das alle seine mühevoll aufgebauten Lego-Roboter zum Einsturz bringt, genervt. Natürlich muss er deswegen auch mal laut schreien. Natürlich fordert er manchmal von mir, ich solle das „kleine Ungeheuer“ wegnehmen, damit er in Ruhe spielen oder einen Trickfilm schauen kann. Natürlich. Doch macht er das alles mit so viel, fast schon erwachsener, Wärme, dass es für mein Mutterherz kaum auszuhalten ist.

Und wenn er dem „kleinen Zerstörer“ dann auch noch seinen Nuckel aus dem Regal holt, damit er nicht mehr weinen muss, einen von seinen Gummibärchen abgibt, damit dieser sie zum ersten Mal im Leben probieren kann, ihm hilft auf die Rutsche zu kommen, damit er sicherer aufsteigen kann, ihm Bücher zeigt und ihm erklärt, was der Unterschied zwischen einem Bagger und einem Radlader ist, oder mit ihm zusammen zum 10000-mal das sogenannte „Krallen-Buch“ (Buch, in dem man Katzen inklusive ihrer spitzen Krallen sehen kann) anschaut, weil der Kleine davon so fasziniert ist – dann sehe ich, wie schon am Tag der Geburt von K2, ganz klar, dass die Entscheidung, ein zweites Kind zu bekommen, die beste meines Lebens war. Denn sie brachte so viel zusätzliche Liebe in unser Zuhause und unsere Herzen, wie ich es niemals für möglich hielt.