Ich weiß, ich hab schon das eine oder andere Mal über das Arbeiten im Homeoffice geschrieben. Und ich möchte euch natürlich nicht mit Wiederholungen langweilen. Doch wisst ihr, was mir erst jetzt so richtig klar geworden ist? Nämlich, dass das, was wir gerade hier erleben, gar kein Homeoffice ist. Ja, ich weiß, manchmal bin ich echt nicht die Schnellste. Aber dieses erzwungene Arbeiten von zu Hause aus, während die ganze Familie 24/7 im selben Zimmer ist, könnte man doch höchstens als Lockdown-Office bezeichnen. Als Pandemie-Büro. Als Corona-Niederlassung. Als Covid-Risiko-reduzierende-Außenstelle. Und in dieser sogenannten Corona-Arbeitsresidenz läuft so ziemlich alles anders, als es im Homeoffice der Fall wäre. Dabei fällt mir zunehmend vor allem eines auf und zwar, dass in dieser Lockdown-Arbeitsstube der Arbeitstag einfach nicht mehr endet.

Oder ist es nur bei mir so?

Dadurch, dass ich in meinem Pandemie-Office nicht so richtig zum Arbeiten komme, komme ich halt auch nicht dazu, richtig Feierabend zu machen. Auch dann nicht, wenn ich körperlich bereits etwas anderes als den Büro-Kram mache. Denn mental hänge ich noch Stunden später bei irgendwelchen Mail-, Text-, Ideen-, Projekts- und Gesprächs-Fragmenten fest, die ich im Laufe des „regulären“ Arbeitstages einfach nicht zu Ende lesen, schreiben, denken, planen und besprechen konnte.

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Viele Eltern kennen diesen Zustand gut aus dem ersten Babyjahr. In keiner Babygruppe oder einer anderen Gruppe der Welt, bei der Babys anwesend sind, wurde je ein Gespräch tatsächlich bis zum Ende geführt. Ach, was sage ich da, Gespräch?! Kein einziger Satz, der mehr als fünf Wörter beinhaltet, wurde je in einer solchen Gruppe zu Ende geführt. Das geht aus einer wissenschaftlich fundierten Studie hervor, die alle Eltern im ersten Babyjahr unfreiwillig durchführen. Durch dieses Den-Gedanken-nicht-zu-Ende-bringen-können entsteht bei den Eltern nach einer gewissen Zeit so eine Art Stau im Kopf. Bei Müttern wird dieser Zustand dann liebevoll als Still-Demenz bezeichnet.

Was die Wissenschaft bisher jedoch nicht wusste, ist, dass sich die Ergebnisse der „Baby-Studie“ offenbar auch mit deutlich größeren Kindern und in einer vollkommen anderen Situation problemlos wiederholen lassen! Man braucht lediglich eine Pandemie und ein schlechtes politisches Krisenmanagement. Und zack, schon ist kein erwachsener Mensch mit kleinen Kindern mehr in der Lage, tagsüber auch nur einen Gedanken zu Ende zu denken. Das muss sich doch für irgendwas verwenden lassen. Vielleicht als Foltermethode?

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Also sitze ich da, kurz vor 22 Uhr, und versuche wieder einmal übrig gebliebene Fetzen von meinen nicht zu Ende gedachten Gedanken des Tages zu erwischen, bevor sie sich als nicht „systemrelevant“ einstufen und auf Nimmerwiedersehen in die Tiefen meines Gehirns abtauchen. Natürlich bringt es nichts. Aber damit aufhören kann ich leider trotzdem nicht. Denn dieser Strudel aus abgerissenen Worten, Überlegungen, Vorhaben und Impulsen hat sich zu einem kleinen großen Wirbelsturm zusammengedrängt und kreist nun ungehindert durch meinen müden Kopf. Manchmal schaffe ich es gerade noch so, einen davon zu erwischen. Und das spielt sich dann ungefähr so ab: „Ach, der Urlaubsantrag für dieses Jahr. Den habe ich ja noch gar nicht abgeschickt. Warum eigentlich nicht? Ich hatte ihn doch heute schon vor mir, da bin ich mir sicher! Warum hab ich es nicht gemacht? Da war doch … ach ja, die Banane, die der Kleine mir auf die Tastatur ‚ablegte‘. Stimmt. Danach wollte ich sie abwischen… Und dann? Ach ja, dann wollte der Große, dass ich ihm helfe, sein Lego nach oben zu tragen. Und dann … ach ja, das Telefon. Ja. So war das. Warum denke ich das jetzt? An was wollte ich mich eigentlich erinnern? Ach, der Urlaubsantrag. Das war das. Den muss ich morgen aber unbedingt fertigmachen! Gleich mal in die ToDo-Liste… Jep, da stand er ja schon für heute drin. Also auf morgen Verschieben.“

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Es rattert noch, als ich schon im Bett liege. Mein Kopf hält einfach nicht die Klappe. War der schon immer so laut? Hat der sich ein paar neue Boxen zugelegt? Mit ordentlich Bass drauf? Ich finde sein Gelaber anstrengend. Kann der sich nicht mal ein bisschen locker machen? Ne Runde entspannen? Es ist schließlich Pandemie, da soll doch alles ’nen Gang runterschalten, oder? Also Kopf, was los mit dir? Chill ma deine Base, Alter! Du kriegst doch sowieso gar nichts mehr geregelt, jetzt schon mal gar nicht, kurz vor Mitternacht. Also such den Aus-Schalter, Bro! Morgen ist schließlich auch noch ein Tag, an dem du Worte nicht zu Ende sprechen und Gedanken nicht zu Ende denken kannst.